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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: 22 U 187/03
Rechtsgebiete: AGBG


Vorschriften:

AGBG § 5
Die Klausel "Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt." ist wirksam.
Tatbestand:

Mit schriftlichem Mietvertrag vom 19.12.1997/22.01.1998 mietete der Beklagte von der Klägerin Räumlichkeiten für den Betrieb einer Zahnarztpraxis.

In § 6 Ziffer 5 des Vertrags, wegen dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 5 ff. der Akten Bezug genommen wird, heißt es:

"Der Mieter kann nur mit solchen Zahlungen aus dem Mietverhältnis aufrechnen oder die Zurückbehaltung erklären, die entweder rechtskräftig festgestellt sind oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt."

Zu Beginn des Mietverhältnisses kam es in den Mieträumen zu einem Wasserschaden, infolgedessen sich der Einzug des Beklagten verzögerte.

Die Parteien streiten vorliegend über den Zeitraum der tatsächlichen Verzögerung, die Verantwortlichkeit für das Schadensereignis sowie über den Umfang des dem Beklagten entstandenen Schadens.

Mit der Klage nimmt die Klägerin den Beklagten, der für die Jahre 1999 und 2000 keine Miete gezahlt hat, auf rückständigen Mietzins und Nebenkosten in Anspruch.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2000 hat die Klägerin der Firma ... in O1 den Streit verkündet, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin mit Schriftsatz vom 16.03.2001 beigetreten ist.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 63.730,49 € (124.646,00 DM) nebst 8 % Zinsen (es folgt eine Aufstellung der Zinsansprüche - die Red.) abzüglich am 13.10.2000 gezahlter Betriebskosten in einer Gesamthöhe von 2.341,21 € (4.579,00 DM) und am 04.01.2001 gezahlter 11.157,05 € (21.821,29 DM) zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat eingewandt, zwischen der Klägerin und ihm sei anlässlich des Schadensfalles vereinbart worden, dass er bis zum Ausgleich des ihm entstandenen Schadens keine Miete zu zahlen brauche. Den ihm infolge des Wassereinbruchs entstandenen Schaden hat der Beklagte mit insgesamt 97.840,71 DM (entspricht 50.025,16 €) beziffert; mit diesem Betrag hat er die Aufrechnung gegenüber der Klageforderung erklärt.

Das Landgericht hat Beweis durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Z1 erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 03.07.2003 verwiesen (Bl. 183 ff. d. A.).

Durch am 12.08.2003 verkündetes Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt:

Der von der Klägerin geltend gemachte, seiner Höhe nach unstreitige Zahlungsanspruch sei in vollem Umfang begründet. Der Beklagte habe seinen Einwand gegen die Klageforderung als solche nicht nachzuweisen vermocht.

Aber auch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit nach Grund und Höhe streitigen Gegenforderungen bringe die Klage nicht zu Fall. Nach § 6 Nr. 5 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrags sei die Aufrechnung mit streitigen Gegenforderungen nämlich ausgeschlossen; gegen die Wirksamkeit dieses Aufrechnungsverbots bestünden auch im Hinblick auf das AGBG keine Bedenken; zwar fehle es im Wortlaut jener Vertragsklausel an einem Passus, wonach - neben der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen - auch die Aufrechnung mit unstreitigen Forderungen zulässig sei; es wäre jedoch sinnwidrig anzunehmen, dass hinsichtlich unstreitiger Forderungen die Aufrechnung ausgeschlossen sein sollte; bei unstreitigen Forderungen seien nämlich Einwendungen gegen diese gar nicht erst erhoben und nicht allein, wie bei rechtskräftig festgestellten Forderungen, durch die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung abgeschnitten; eine geltungserhaltende Reduktion könne hierin nicht gesehen werden, vielmehr handele es sich insoweit um eine Auslegung der Klausel, die den Bereich einer zulässigen Auslegung im Individualprozess nicht verlasse.

Gegen dieses ihm am 18.08.2003 zugestellte Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Zu ihrer Begründung beruft er sich, nachdem er seine Einwendungen gegen die Klageforderung als solche im Termin vor dem Senat am 01.02.2005 ausdrücklich fallen ließ, allein noch auf die von ihm erklärte Aufrechnung. Insoweit vertritt der Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 01.12.1993 (NJW 94, 657) nach wie vor die Auffassung, dass das hier streitgegenständliche vertragliche Aufrechnungsverbot wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam sei. Das Landgericht hätte daher, so der Beklagte weiter, die von ihm zu den einzelnen Gegenforderungen angebotenen Beweise erheben müssen.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an eine andere Kammer des Landgerichts zurückzuverweisen,

hilfsweise,

das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Streithelferin schließt sich dem Antrag der Klägerin an.

Die Klägerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung und bleibt ihrerseits dabei, dass eine Aufrechnung des Beklagten mit bestrittenen Gegenforderungen nach § 6 Nr. 5 des Mietvertrags wirksam ausgeschlossen sei und stützt sich dabei auf das Urteil des XII. Senats des Bundesgerichthofs vom 27.01.1993 (NJW-RR 93, 519); dieser stehe das vom Beklagten herangezogene Urteil des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs nicht entgegen; die dem vorgenannten Entscheidungen zugrunde liegenden Vertragsklauseln seien miteinander nicht vergleichbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Nachdem der Beklagte seinen Einwand, zwischen den Parteien sei im Hinblick auf das streitgegenständliche Schadensereignis ein zeitweiser Erlass seiner Mietzinszahlungspflicht vereinbart worden, nicht mehr weiterverfolgt, hat der Senat allein noch darüber zu entscheiden, ob die vom Beklagten erklärte Aufrechnung durchgreift. Dies ist zu verneinen.

Wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Aufrechnung des Beklagten mit den von ihm geltend gemachten, nach Grund und Höhe streitigen Gegenforderungen bereits nicht zulässig, weil durch § 6 Nr. 5 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrags ausgeschlossen.

Der erkennende Senat ist mit dem Landgericht der Auffassung, dass gegen die vorgenannte Vertragsklausel Wirksamkeitsbedenken im Hinblick auf das AGBG a. F. letztlich nicht bestehen. Zur Begründung im Einzelnen wird auf die diesbezüglichen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug genommen, denen sich das Berufungsgericht uneingeschränkt anschließt.

Die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 01.12.1993, auf die der Beklagte seine gegenteilige Meinung glaubt stützen zu können, steht der hier vertretenen Auffassung nicht entgegen. Ausgehend von der vom XII. Senat des Bundesgerichtshofs vorgenommenen Wertung (Auslegung), wonach die Zulassung der Aufrechnung mit rechtskräftig festgestellten Forderungen bei zulässiger und gebotener Auslegung auch die Aufrechnung mit - nicht ausdrücklich erwähnten - unstreitigen Forderungen umfasse, stellt sich der in der hier zu beurteilenden Vertragsklausel enthaltene Zusatz

"... oder zu denen die Vermieterin im Einzelfall jeweils ihre Zustimmung erklärt..."

nicht als eine Einschränkung der Aufrechnungsmöglichkeiten des Mieters dar, sondern vielmehr als eine Erweiterung derselben, gegen die Wirksamkeitsbedenken nicht bestehen.

Der VIII. Senat des Bundesgerichtshofs hat im Übrigen irgendwelche Bedenken oder Vorbehalte gegenüber der zeitlich früheren Entscheidung des XII. Senats nicht erhoben.

Auch im Hinblick auf die Unklarheitenregelung des § 5 AGBG a. F. bestehen keine Bedenken an der Wirksamkeit der hier in Rede stehenden Vertragsklausel. Wie bereits ausgeführt, ist diese - wenn auch im Wege einer (noch) zulässigen Auslegung - dahin zu verstehen, dass dem Mieter auch die Aufrechnung mit unbestrittenen Forderungen erhalten bleiben soll.

Nach allem ist der Beklagte mit der von ihm erklärten Aufrechnung wirksam ausgeschlossen. Die Folge ist, dass es bei dem der Klage stattgebenden Urteil des Landgerichts zu verbleiben hat.

Die Entscheidung über die Kosten der Berufung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Das Urteil beschwert den Beklagten mit mehr als 20.000,00 €.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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